35 Jahre deutsche Einheit
Das Desaster dei Wiedervereinigung
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In diesem Jahr 2025 begingen wir das 35. Jahr der deutschen Wiedervereinigung. Nach wie vor gibt es große Unterschiede zwischen Ost und West in Kultur, Wahlverhalten, Lebensstil, Medienverhalten, Wirtschaft und einiges mehr. Man hat sehr viel darüber diskutiert in den Medien mit Bürgern, Politikern, Journalisten und diversen "Ost-Experten". Auch mehrere Bücher zu diesem Thema sind erschienen, gute und auch schlechte Bücher, über die zum Teil kontrovers diskutiert wurde. Einige davon habe ich gelesen.
Ich möchte hier aufzeigen, welches meiner Meinung nach das Grundübel bei der Wiedervereinigung bzw. dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik Deutschland war.

Was war der Unterschied des Umbaus der DDR zu den anderen Staaten des Ostblocks
Die Wende, also der Umbau der sozialistischen Länder des Ostblocks von planwirtschaftlichen zu marktwirtschaftlichen Strukturen, wurde so etwa ab 1989/1990 vorgenommen, mehr oder weniger gleichzeitig in allen Ländern des Ostblocks. Es betraf praktisch alles, Wirtschaft, Verwaltung, Medien, alles. Während in anderen Ländern auch Reformen durchgeführt wurden und Strukturen teilweise erhalten blieben, wurde in der DDR abgewickelt, liquidiert. Alles, was es in der Bundesrepublik nicht gab, wurde abgewickelt, und das war sehr viel, nicht nur die Akademie der Wissenschaften, die Sporthochschule DHFK, die Hochschule für Seefahrt, die Bauakademie, sondern unzählige Einrichtungen. Wir haben die Chance verpasst, aus dem besten beider Staaten etwas Neues zu machen, Synergieeffekte zu nutzen und von veralteten und überlebten Strukturen zu lösen. Das Ergebnis sehen wir heute, Deutschland ist im steilen Abstieg begriffen, Fachkräftemangel, Desaster mit der Deutschen Bahn, schlechte Noten bei Schülern in naturwissenschaftlichen Fächern und vieles mehr. Der Anschluss durch Abwicklung war das große Übel.

Wende in der DDR und Umbau sämtlicher Strukturen an westdeutsche Standards
Der Umbau betraf alle in der DDR in 40 Jahren entstandenen Bereiche, Strukturen und Institutionen, solche waren z.B.:
Kultur/Kunst, Forschung/Wissenschaft, Medien, Bildung/Schulen, Kinderbetreuung, Universitäten, Polizei, Feuerwehr, Armee, Gesundheitswesen, Verwaltung, Verkehr, Seefahrt, Parteien und noch einiges mehr.
Im Gegensatz zur DDR war in den anderen Ländern des Ostblocks die Wende einfach nur ein Umbau, natürlich auch mit vielen harten Maßnahmen wie Massenentlassungen verbunden. In der DDR bedeutete der Umbau aber: Abwicklung (Liquidation), Massenentlassungen, Verschrottung der Einrichtung und teilweise Stilllegung der Gebäude, dann Neugründung und Neubau neuer westkonformer Institutionen, neue Stellenausschreibungen, wobei die attraktiven Stellen mit Westdeutschen besetzt wurden. Das führte dazu, dass heute die Eliten und viele sonstige Führungskräfte in Ostdeutschland Westdeutsche sind. Und da fragen sich einige Ostexperten, warum die Ostdeutschen mit diesen Erfahrungen Probleme mit der Demokratie haben. Zum Umbau der DDR-Institutionen möchte ich aus den vielen betroffenen Strukturen als Beispiel zwei herausgreifen:
(1) Gesundheitswesen und (2) Forschung/Wissenschaft. In den anderen Bereichen lief es ähnlich zerstörerisch und brutal ab.

(1) Gesundheitswesen
Das Gesundheitswesen in Westdeutschland bestand 1990 aus einem großen Netz niedergelassener Ärzte, meist privat als Einzelpraxen oder auch als Gemeinschaftspraxen, weiterhin aus einem Netz von staatlichen Krankenhäusern und einigen Privatkliniken. Heute sind viele Krankenhäuser privatisiert und Arztpraxen gehören zum Teil Krankenhausketten. Die niedergelassenen Ärzte mussten teilweise für viel Geld Technik kaufen, besonders Zahnärzte, und sie mussten sich selbst um die Verwaltung kümmern (Patientenakten, Abrechnungen mit den Krankenkassen usw.).
In der DDR bestand 1990 das Gesundheitswesen ebenfalls aus einem großen Netz niedergelassener Ärzte, weiterhin aus Arztpraxen oder Polikliniken in größeren DDR-Betrieben.
Für die stationäre Behandlung gab es ein Netz von staatlichen Krankenhäusern. Für die ambulante Behandlung gab es weiterhin eine große Anzahl von Polikliniken. Polikliniken waren so etwas wie kommunale Gesundheitszentren mit Ärzten verschiedener Richtungen, Radiologie, Labor, Verwaltung usw. Die technische Ausstattung war viel besser, als bei den niedergelassenen Ärzten, die Ärzte in Polikliniken waren fest angestellt, die Ärzte konnten sich auf medizinische Aufgaben konzentrieren, Abrechnungen erledigte die Verwaltung, Überweisungen zu einem Facharzt waren unkompliziert, oft im selben Hause. Die Polikliniken wurden alle abgewickelt (d.h. liquidiert). Warum musste das sein? In den anderen Staaten des Ostblocks gibt es sie noch. Nach wie vor vermisse ich Polikliniken, weil alles für die Patienten einfacher war.

(2) Forschung/Wissenschaft
Forschung und Wissenschaft lief in der Bundesrepublik ab an den Universitäten, den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Institute, Institute der Leibnitz-Gemeinschaft, Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft sowie einigen Forschungsinstituten von Industrieunternehmen. Anders als die DDR, war die Bundesrepublik ein föderativer Staat. Die DDR war ein Zentralstaat. In der DDR gab es ebenfalls Forschungsinstitute an Industriekombinaten, Forschung an Universitäten und vor allen die Forschungsinstitute der verschiedenen staatlichen Akademien, besonders der Akademie der Wissenschaften der DDR. Der größte Komplex verschiedener AdW-Institute war in Berlin-Adlershof angesiedelt. Auch unsere ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel arbeitete dort am Zentralinstitut für Isotopen- und Strahlenforschung der AdW. Die zentralen DDR-Akademien wurden komplett abgewickelt, nicht etwa umgebaut zu Instituten der Max-Planck-Gesellschaft oder Fraunhofer-Gemeinschaft, nein, sie wurden stillgelegt, die Belegschaft entlassen, die Technik verschrottet, die Gebäude stillgelegt oder anders genutzt. Dann wurden neue Forschungseinrichtungen entsprechend westdeutscher Strukturen neu errichtet, neue Gebäude, neue Einrichtung und vor allen neues Personal. Die attraktiven Stellen wurden mit westdeutschem Personal besetzt.
Ich erinnere mich noch an die frühen Neunziger, als massenweise ehemalige DDR-Akademiker arbeitslos wurden und sich versucht haben als Versicherungsmakler oder Reiseveranstalter, oft erfolglos. Ich kenne auch zwei Suizidfälle aus meinem Umfeld.
Es gab natürlich auch Erfolgsgeschichten. Einige junge Wissenschaftler der AdW haben sich selbständig gemacht und High-Tech-Unternehmen gegründet, Start-Ups, teilweise sehr erfolgreich in Nischen der Forschungstechnik z.B. die Firma PicoQuant in Berlin (https://www.picoquant.com/). Als Mitarbeiter im Forschungszentrum DESY in Hamburg hatte ich mit PicoQuant zu tun. Sie waren die einzigen weltweit, die brauchbare Technik für Photon Counting angeboten haben. Aber kleine Erfolgsgeschichten ändern nichts an den katastrophalen Folgen der Abwicklungen.


Zu Auflösung der AdW:
https://deutsche-einheit-1990.de/ministerien/mft/adw/
Überblick Forschung in der DDR:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Hochschulen_und_Akademien_in_der_DDR