Tante Gretel's Verse:
Hamlets
Geist (nach Erich Kästner) Gustav Renner war bestimmt die beste Kraft am Toggenburger Stadttheater. Alle kannten seine weiße Weste, alle kannten ihn als Heldenvater. Alle lobten ihn, sogar die Kenner, und die Damen fanden ihn sogar noch schlank. Schade war nur, dass sich Gustav Renner, wenn er Geld besaß, enorm betrank. Eines Abends, als man Hamlet gab, spielte er den Geist von Hamlets Vater, Ach, er kam betrunken aus dem Grab, und was man nur Dummes tun kann, tat er. Hamlet war aufs äußerste bestürzt, denn der Geist fiel gänzlich aus der Rolle, und die Szene wurde abgekürzt. Renner fragte, was man von ihm wolle? Man versuchte hinter den Kulissen ihn von seinem Rausche zu befreien, legte ihn lang hin und gab ihm Kissen, und dabei schlief Gustav Renner ein. Die Kollegen spielten nun exakt, weil er schlief und sie nicht länger störte. Doch er kam! Und Zwar im nächsten Akt, wo er absolut nicht hingehörte. Seiner Gattin trat er auf den Fuß, seinem Sohn zerbrach er das Florett, und er tanzte mit Ophelia Blues, und den König schmiss er ins Parkett. Alle zitterten und rissen aus, doch dem Publikum war das egal; so etwas von donnerndem Applaus gab's in Toggenburg zum ersten Mal. Und die meisten Toggenburger fanden: Endlich hätten sie das Stück verstanden. |
Der
Storch
am
Teiche (nach Christian Morgenstern) Ein Storch spazierte einst am Teiche da fand er eine blinde Schleiche. Er sprach: "Das ist ja wunderbar", und fraß sie auf mit Haut und Haar. Die Schleiche lag in seinem Magen, das konnten beide nicht vertragen. Da sprach die blinde Schleich: "O Graus", und floh zur Hintertür hinaus. Der Storch sah solches mit Verdruss, dass solches ihm passieren muss. Drum fraß er ohne alle Wahl, den Schleichenwurm zum zweiten Mal. Drauf stemmt er lächelnd mit Verstand, die Hintertüre an die Wand, und sprach nach innen zu der Schleich: "Na bitte, wenn du kannst, entweich!". Drauf tat mit List die schlaue Schleichen, zur Vordertür hinaus entweichen. Da fraß der Storch ohn' alle Wahl, vor Wut sie nun zum dritten Mal. Und bracht in sinniger Erfindung die beiden Türen in Verbindung, und sprach zum Schleichenwurm hinein: "Nun richt' Dich für 'ne Rundfahrt ein" Beurteilung über einen Sänger:
Frauen:
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Zäzilie
(nach Christian Morgenstern)
Zäzilie soll die Fenster putzen, sich selbst zum Gram, jedoch dem Haus zum Nutzen. "Durch meine Fenster muss man", spricht die Frau, "so durchsehen können, dass man nicht genau erkennen kann, ob diese Fenster Glas oder bloße Luft sind. Merk Dir das." Zäzilie ringt mit allen Menschen-Waffen …, doch Ähnlichkeit mit Luft ist nicht zu schaffen. Zuletzt ermannt sie sich mit einem Schrei - und schlägt die Fenster allesamt entzwei! Dann säubert sie die Rahmen von den Resten, und ohne Zweifel ist es so am besten. Sogar die Dame spricht zunächst verdutzt: "So hat Zäzilie ja noch nie geputzt." Doch also bald ersieht man, was geschehen, und sagt einstimmig: "Diese Magd muss gehen." |
Unsere
Katz hat Junge Unsere Katz hat Junge - sieben an der Zahl Sechs davon sind Hunde - das ist ein Skandal und der Kater spricht - die ernähr ich nicht denn ich bin vom Hunde - doch der Vater nicht (oder: wie kann er das sagen - ist doch seine Pflicht) Grabinschrift:
Grabinschrift:
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Heinz Ehrhard Die alten Zähne wurden schlecht, und man begann sie auszureißen, die Neuen kamen gerade recht, um mit ihnen ins Gras zu beißen. Franz Hessel Verzeih mir, Liebchen, und hab Erbarmen, dass ich nicht gestorben bin in deinen Armen |
nach
Joachim Ringelnatz Es waren einmal zwei Ameisen die wollten nach Australien ausreisen bei Altona, auf der Chaussee taten ihnen die Beine weh und so verzichteten sie weise auf den letzten Teil der Reise |
Auf den
Rabenklippen (Heinrich Seidel, 1842-1906) Auf den Rabenklippen bleichen
Knabenrippen Eintragungen in
Poesiealben Einige Weisheiten
und Sprüche Wer um die Gunst eines
Kindes buhlt, sollte sich in die Hocke begeben. Geh mit der Zeit, nicht
mit der Uhr. Gefühle sind stärker als
die Vernunft. Ein gütiger Blick
erwärmt das Herz. Ziele erreicht man auch
mit kleinen Schritten. Man sollte an den
schönen Dingen des Lebens nicht einfach so
vorbei gehen. Um andere zu schonen,
sind Notlügen erlaubt. Es fängt immer mit der
Flasche an und endet mit der Schnabeltasse. Auch der Atteist fängt
an zu beten, wenn es ihm schlecht geht. Ein Architekt kommt ohne
den Handwerker nie ans Ziel. Wer jemandem die Hand
drückt, sollte ihm/ihr auch in die Augen
schauen. Auch auf einer
Zweierbank ist Platz für drei, wenn man näher
zusammenrückt. Ein blauer Himmel
schützt uns nicht vor dem nächsten Gewitter. Respekt ist Ausdruck
einer Lebensleistung. Nicht nur die Pferde
haben Anspruch auf Gnadenbrot. Wer vom Dreimeterbrett
springt, sollte nicht vergessen, dass die Augen
die Tiefe messen. Eine Ausrede ist das
Eingeständnis eines Schuldbewusstseins. Altersmilde ist die
Erkenntnis, dass scheinbar wichtige Dinge
unwichtig sind. Spöntanität begeistert,
wenn da nicht das "Fettnäpfchen" wäre. Der Hund ist das einzige
Lebewesen unter uns, das Treue garantiert. Ohne Zuhörer gäbe es
keine Redner. Nicht wer gut redet ist
gut, sondern wer Gutes tut. Allen zu gefallen ist
unmöglich. |
Eugen Roth: Allzu eifrig Ein Mensch sagt - und ist stolz darauf, Er geht in seinen Pflichten auf, Bald aber, nicht mehr ganz so munter, Geht er in seinen Pflichten unter. Eugen Roth: Zwecklos Ein Mensch hört gern in Zeit, in trüber, Den Trost, dies alles geht vorüber, Doch geht dabei - das ist es eben, Vorüber auch sein kurzes Leben. Julie Schrader (1881-1939) Wenn ich liebe, seh ich Sterne. Gedichte (dtv 1971) Wenn ich liebe, seh' ich Sterne, ist's getan, seh' ich den Mond, ach es war nur die Laterne, trotzdem hat es sich gelohnt. Simple Weisheit: Das Leben, von dem ein jeder weiss, dass es weiter geht, geht tatsächlich immer weiter, und in der Tat sind alle, die andres sagen könnten, tot. Inschrift am Tor der Hoffnung: Schlägt dir eine Hoffnung fehl, nie fehle dir das Hoffen, ist ein Tor dir zugetan, stehn Tausend andre offen. Jüdische Sprüche und Weisheiten Der Teufel hole den Einfall, der einem zu spät kommt. Gäste und Fische haben eins gemeinsam: sie stinken am dritten Tag. Frag einen Feind um Rat und mach es umgekehrt. Siebzig Jahre lernt der Mensch und stirbt unwissend. Was man gelernt hat, kann man nicht vererben. Ein guter Ruf geht weit, ein schlechter noch weiter. Was wird aus den Schafen, wenn der Wolf der Richter ist. Rache ist ein leckerer Bissen, aber giftig. Frag andere nach Rat, aber behalte deine Meinung für dich. Teilen ist gut, wenn man nichts hat. Wenn man Salz braucht, nützt kein Zucker. Was andere haben, schmeckt immer besser. Wer Schuhe für sich kaufen muss, der messe nicht an fremden Füßen. Ist die Tür offen, muss man nicht durch's Fenster kriechen. Ein kleiner Stein kann ein großes Loch machen. Ein Beispiel ist kein Beweis. Wird etwas Wahres mit Lügen versetzt, ergibt's überhaupt keine Wahrheit zuletzt. Heute leben, die Hölle wird es morgen geben. Besser in Freuden leben, als in Sorge sterben. Mag es auch schlimmer kommen, hauptsache es ist anders. Anderer Leute Kummer kann man ertragen. Wenn man nichts zu sagen hat, sollte man schweigen. Der Mensch lernt früh zu sprechen und spät zu schweigen. Den Ozean kann man nicht mit einem Löffel ausschöpfen. Wenn jemand drei Eide gab, ist oft das Gegenteil grad wahr. Steige nicht zu hoch, wenn du nicht zu tief fallen willst. Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge. Wenn man die Wahrheit sagt, muss man nicht schwören. Der Mensch ist, was er ist, und nicht, was er war. Zehn Ausreden überzeugen weniger als eine. |